Tour de Load(12 Tage und 2300km unterwegs mit einem Cargo-E-Bike)
Die Idee
Angefangen hat alles an den Bikedays in Solothurn...
Ich gewann den Faltcontest und somit eine Gratis-Teilnahme an den Brompton Schweizermeisterschaften im Juni in Biel. Auch in Biel war ich erfolgreich (siehe Bericht im Velojournal) und wurde CH-Meister.
Der Hauptpreis war ein Flug nach London inkl. Gratis-Teilnahme an den Brompton World Championship. Da ich mich, wenn immer irgendwie möglich, mit dem Velo oder E-Bike
fortbewege, fragte ich den Preisverleiher und Veranstalter FALTRAD plus GmbH an, ob sie mir statt den Flug auch die Veloreise dahin finanzieren würden. Sie waren begeistert von der Idee und unterstützten mich voll und ganz bei meinem Projekt.
Für mich war klar, es muss ein Transportvelo sein, wo ich einerseits ein Brompton und andererseits auch genügend Akkus mitnehmen kann. Ausserdem wollte ich die Strecke in so kurzer Zeit wie möglich absolvieren. Die Wahl fiel auf das zur Zeit einzige schnelle Cargobike der Schweiz. Das Load hybrid von Riese & Müller aus Weiterstadt, Deutschland.
Nach einer ersten Teststrecke mit wenig Gepäck von Zürich nach Freiburg im Breisgau und zurück
war ich äusserst euphorisch und wollte die Strecke nach London in nur 3 Tagen zurück legen und täglich 400km abspulen.
Die Tour
1. Tag: Der Start am Sonntag, 20. Juli verzögerte sich um ein paar Stunden, da noch einige geschäftliche Pendenzen erledigt sein mussten. Statt um 5:00 Uhr gings um 10:35 Uhr endlich los.
An die 400km bis am Abend war bereits nicht mehr zu denken. Denn um diese Startzeit hätten bereits die ersten 150km zurück gelegt sein müssen.
Bis auf die ersten beiden Stunden hat es praktisch pausenlos geregnet und ich war dementsprechnd froh,
im Dunkeln noch ein Hotel bzw. ein Chambre à haute gefunden zu haben. Leider verstand die Dame nicht
viel von E-Bikes, obwohl sie selber eins in der Garage hatte und verrechnete mir für das Laden meiner gut 8 leeren Akkus satte 10€! extra. 8x400Wh sind 3.2Kwh, was ungefähr 60 Rappen Stromkosten entspricht. Ich liess mich aber nicht auf Diskussionen ein und wollte einfach nur duschen, meine Sachen waschen, Akkus laden und schlafen gehen.
Alle ca. 32km musste ich den Akku wechseln. Ich hatte total 13 Akkus dabei
Die Ersatzakkus waren alle in Socken verpackt in einer extra für die Tour de Load hergestellten Kartonschachtel.
So konnte verhindert werden, dass die Akkus Kratzer abbekommen.
2. Tag: Am nächsten Morgen ging ich dann vor dem Frühstück los und wurde gleich wieder mit erfrischendem Nieselregen begrüsst. Immerhin war es nicht kalt und es ging einigermassen gut voran, da ich gut 100km einem Kanal entlang auf einem wunderbaren Veloweg fahren konnte. Neben dem nassen Wetter machte mir auch die Müdikeit etwas zu schaffen, aber ein Powernap lag nicht drin. Die Ziele habe ich mir dafür zu hoch gesteckt. Bis um 18 Uhr hatte ich gut 230km zurück gelegt und hätte bis um 21:30 Uhr noch weitere 100 zurück legen können, wenn nicht plötzlich meine Kurbeln leer drehten. Es war ein regelrechter Schock und ich sah mein Projekt in Gefahr. Mit der Schiebehilfe rollte ich mit 10km/h zurück in den nächsten Ort "Vitry-lo-Francois" und suchte erst einen Veloladen und als ich den einzigen im Ort gefunden hatte und wenig überrascht vor seiner geschlossenen Tür stand "Lundi fermé", war mir klar, dass ich die Nacht in Vitry verbringen muss und meine Reise bis auf Weiteres erst mal beendet ist. Im Hotel "La grande Brasserie" bin ich eingecheckt, habe meine ersten 6 Akkus an die Ladegeräte gehängt, mich mit dem WiFi des Hotels ins Internet eingeloggt und eine E-Mail an Riese & Müller gesendet. Frank von R&M kümmerte sich gleich um mein Problem, denn er wusste von meinem Vorhaben und versprach mir so rasch wie möglich zu helfen, soweit er dies aus der Ferne machen kann.
Nun hatte ich plötzlich alle Zeit der Welt und ich konnte mir das Städtchen ausgiebig anschauen und meine Beine vertrampen.
Leider führte mich das Navigationssystem oft über eher ungünstige Naturstrassen. Diese hier war leider so schlammig,
dass es mir den Schlamm zwischen Schutzblech und Reifen klebte und sich dadurch das Rad nicht mehr gut drehen liess.
Ich dachte, ich sei klug, indem ich meine Tasche nahm und unter den Motor stellte, damit das Hinterrad in der Luft ist, aber
in dem Moment habe ich leider nicht daran gedacht, dass ich in dieser Tasche auch noch meine Brille hatte. Diese hat nun leider einen Sprung und muss auch repariert werden. :-(
Nach dem Mittagessen gehts weiter mit Regenbekleidung.
3. Tag: Ausgeschlafen und mit wenig Hoffnung auf eine rasche Reparatur checkte ich meine Mails. Leider kam da aber keine Zauberformel für mein
defekten Motor. So konnte/musste ich in aller Ruhe frühstücken und fragte schon mal nach, ob es möglich wäre, auch noch eine zweite Nacht zu bleiben. Während dem Frühstück, um 9:06 kam dann der ultimative Tipp per Mail, dass ich doch mal mit einem Gummihammer auf die Tretlagerwelle schlagen soll, damit sich die verklebten Klinkgen lösen. Natürlich hatte ich keinen Gummihammer dabei, aber auf solchen Reisen muss man kreativ sein.
Peng, peng, peng, peng.... ! Und schon hat die Kurbel wieder eingehängt. Wow... innert Sekunden hat sich der Traum von der Weiterfahrt
bewahrheitet und ich packte so schnell es ging meine Sachen in das Load und fuhr weiter Richtung London. Nach kurzer Zeit ist die Kurbel jedoch wieder in den Leerlauf gefallen und ich musste die arme Vitellflasche erneut missbrauchen. Ein drittes und viertes Mal hat die Flasche den Schlägen auch noch standgehalten, aber beim fünften Mal bekam die Flasche einen Riss und ich musste das kostbare Wasser teils umfüllen und trinken. Meine zweite Flasche wollte ich dafür nicht mehr opfern und ich benutzte von da an einen Stein. Schnell habe ich bemerkt, dass ich nicht mehr in den Leerlauf fallen darf und ständig Druck auf die Kurbel geben muss, ansonsten bleiben die Sperrklinken dort wo sie sind und die Kurbel würde wieder leer drehen, was vor allem an Kreuzungen oder auf viel befahrenen Strassen äusserst unangenehm ist. Wenn ich jeweils mit dem Stein auf die Kurbel klopfte dachte ich immer daran, was die Leute wohl denken, die das sehen. Zum Glück wissen die nicht, dass ich Fahrradmechaniker und Fahrradhändler bin. Denn mit einem Stein repariert man ja nun wirklich kein Velo! Aber hier ging es auch nicht ums Reparieren, denn Reparieren ist laut Bosch nicht möglich. Die einzige Lösung wäre, den Motor zu ersetzen, doch dies würde gut 5 Tage dauern, bis der passende Motor in Frankreich eingetroffen wäre und ich wollte unbedingt an die Brompton Weltmeisterschaften nach Goodwood.
Bis am Abend reichte es dann immerhin bis nach Bouconville-Vauclaire zu einem wunderschönen Hotel. Es ist mitten in der Pampa und man erwartet nichts Besonderes, aber das Zimmer, welches ich nach Einbruch der Dunkelheit noch bekommen habe und das frisch gemachte Sandwich vom Chef persönlich, war einfach der pure Luxus! Hier der Link zum Hotel, aber pssst... nicht weitersagen, dies ist ein Geheimtipp! ;-) Auberge-de-vauclair
Leider waren die Velowege nicht immer vorhanden, aber mit meinem Tempo waren asphaltierte Nebenstrassen oder Hauptstrassen sowieso meist vorzuziehen.
4. Tag: Am Mittwoch wollte ich ja eigentlich bereits in London angekommen sein und die Brompton-Fabrik besichtigen, aber ich war noch nirgens bzw. noch hunderte von Km vom Ziel entfernt, so habe ich mir vorgenommen, vor Sonnenaufgang loszufahren und das war auch herrlich so, denn das Wetter hat sich gebessert und es lag höchstens etwas Morgentau über den Strassen.
Mein Load und ich schwebten nur so über die Strassen und machten Kilometer um Kilometer. Das Navigationsgerät Mio Cyclo305 HC zeigte uns den Weg und die Strassenkarte von Nordfrankreich im Massstab 1:600'000 half uns, den Überblick zu behalten, wo in etwa wir uns denn befinden. Bis nach Calais scheint es nicht weit zu sein, aber ein einziger Zentimeter auf der Karte sind 6km! und die Dörfer und Nebenstrassen sind auf dieser Karte schlicht nicht drauf. Wir finden den Weg
aber trotzdem immer irgendwie, auch wenn nicht immer auf dem direktesten oder einfachsten Weg. Um 19 Uhr sind wir am Hafen von Calais. Die Fähre nach Dover hat 3/4h Verspätung. Das Verschiffen geht aber ganz unproblematisch und die Überfahrt ist in 2h gemacht.
In England angekommen
war ich froh, als ich endlich den Weg aus diesem unübersichtlichen Hafengelände gefunden habe. In Dover noch ein Hotel zu finden war dann die zweite Herausforderung, denn längst war es dunkel geworden.
Schlechte Strasse, dafür schöne Aussichten und kein Schwerverkehr.
5. Tag: Heute soll es endlich soweit sein und ich möchte das Ziel Brentford, London erreichen. Geschlafen habe ich nicht schlecht, obwohl das Hotelzimmer wohl das ekelhafteste war, was ich je an Hotelzimmern gesehen hatte. Nicht mal gratis würde ich dort länger wohnen wollen!
Auf den Strassen in England merke ich schnell, dass da Velofahrer eine ganz seltene Gattung sind und deswegen Fahrradwege nicht oft anzutreffen sind. Ich konzentrierte mich links zu fahren und in den mehrspurigen Kreiseln richtig einzuspuren und das ganze natürlich immer mit Druck auf die Pedalen, denn sonst hängen die Sperrklingen wieder aus und mein Stein kommt wieder zum Einsatz. Dieser ist übrigens mittlerweile zu einem so kleinen Stein geworden, dass ich ihn durch ein grösseres Kaliber ersetze. Von Dover nach Brentford (West-London) sind es nur gut 200km, die ich bis am Abend um 22 Uhr zurück lege.
Endlich am Ziel angekommen! Zürich-London (1200km) in 5 Tagen
Tag 6 – Besuch der Brompton-Factory und fahrt nach Goodwood: Heute treffe ich Mike Rolf von Brompton. Ich habe ihn während meiner Tour auf dem Laufenden gehalten und wir haben unser Termin von Mittwoch Nachmittag auf heute Morgen geschoben. Er steckt mitten in den Vorbereitungen auf die Brompton Weltmeisterschaften vom Sonntag, aber nimmt sich trotzdem die Zeit und führt mich durch die Fabrik. Es ist beeindruckend mit welcher Professionalität hier gearbeitet wird und wie hoch hier der Qualitätsstandard ist. "Dass ein solches Edel-Faltvelo bei uns in Zürich für unter Fr. 2000.- zu haben ist..." denk ich mir und löchere Mike regelrecht mit Fragen zur Produktion, zu den einzelnen Teilen, zu den Zukunftsplänen und zur Brompton-Philosophie.
Mike Rolph, Marketing Assistant, Brompton Bicycle Ltd heisst mich herzlich willkommen und führt mich durch die Fabrik.
Es gibt auch Brompton-Mitarbeiter, welche nicht mit einem Brompton zur Arbeit fahren. Immerhin sind aber die Veloständer Brompton-Like...
Jeder Arbeitsplatz ist so eingerichtet, dass der Arbeiter mit höchster Konzentration und Produktivität seiner Arbeit nachgehen kann.
Die Rahmenteile stehen bereit zum Zusammenbau. Brompton steigerte die Jahres-Produktion in wenigen Jahren von 15'000 auf gut 50'000 Stück.
Ursprünglich als Mitarbeitermensa gedacht wird nun der obere Teil hinter der bemalten Fassade als Marketing-Office genutzt. Eine neue Mensa wurde nun ausserhalb vom Fabrikgebäude in einem Container untergebracht.
Auf den Millimeter genau werden die Brompton Rahmenteile von Hand geschweisst. Und nur die besten werden vom Abteilungsleiter auserkoren, auch Rahmen zu schweissen, aus welchen dann die edlen Klarlack-Bromptons entstehen.
Die Schweisser sind sozusagen die Stars der Brompton-Fabrikation. Jeder hat seinen eigenen Stil, wie seine Schweissnaht
aussieht und dies wurde hier auf einem Plakat zusammengefasst. Ein Kenner erkennt an einem Brompton, welcher Schweisser, diese Schweissnaht gemacht hat. Übrigens hat es auf jedem geschweissten Brompton Rahmenteil Initialen, welche die Qualitätssicherung gewährleisten.
Am Nachmittag durfte ich für 2h an Mikes Computer, um die Bilder von meiner Kamera runterzuladen und ein Interview mit einer Journalistin vom Tages-Anzeiger zu führen. Dieses ist auf unserer News-Page verlinkt.
Um 14 Uhr war dann höchste Zeit, mich zu verabschieden und mich auf den Weg nach Goodwood zu machen, wo am Sonntag die Weltmeisterschaften stattfinden.
7. Tag: Am Samstag vor dem Brompton World Championship brauchte ich mal einfach eine Pause und habe mehr oder weniger den ganzen Tag in meiner Unterkunft, dem hübschen Horse & Groom in West Ashling geschlafen... zzzzzzz :-)
8. Tag / Brompton Weltmeisterschaften: Endlich ist es soweit... Das schwefelgelbe Brompton S6L-X (Ein 6-Gang Brompton mit Titanteilen), welches ich die ganze Zeit vorne auf der Ladefläche des Cargobikes mitgetragen habe, kommt zu seinem grossen Einsatz.
Vom Hotel sind es noch gut 8km bis zur Autorennstrecke in Goodwood, wo die Rennen stattfinden. Ich packe für einmal also nur das Brompton auf das Load und lasse Kleider und Ersatzakkus im Hotel. So fährt sich das Load nochmals etwas leichter. In Goodwood angekommen treffe ich Jonas, Simon und Alexandra, welche mit dem Flugzeug nach England gereist sind und mit mir das Swiss Wheel Team bilden. Um 11 Uhr starten die Sprints. Es gilt es in 12er-Gruppen die 500m in möglichst kurzer Zeit zu fahren. Ich starte in der 3. Gruppe und bin von Anfang an vorne. Auf halber Strecke werde ich jedoch überholt von einem Genfer vom Typ Miguel Indurain und ich hänge mich gleich in seinen Windschatten. Kurz vor dem Ziel versuche ich ihn zu überholen, werde jedoch abgedrängt und schaffe es nicht als erster über die Ziellinie. Mit 49 Sekunden haben wir es aber beide um 2 Sekunden nicht geschafft, ins Finale einzuziehen. Schade, aber wir konzentrierten uns nun ab sofort auf das "echte" Rennen am Nachmittag. Simon Schürch von FALTRAD plus GmbH, dem Brompton Importeur qulifizierte sich jedoch mit einer super Leistung von 47 Sekunden für das Finale und musste sich dort ohne Klickpedalen nur knapp geschlagen geben, gegen Konkurrenten, welche alle mit Klickpedalen fuhren.
Alexandra Bähler, holte den Sprint-Titel in die Schweiz mit einem souveränen Sieg mit roter Kravatte und CH-Kreuzchen drauf.
Um 15 Uhr galt es dann ernst: Die Brompton-WM-Teilnehmer mussten Ihr Faltvelo zusammengefaltet auf die Wiese an einen vorgegebenen Platz stellen. Fahrradhosen und -Trikots waren nicht mehr erlaubt. Es war vorgeschrieben mit Anzug, Hemd, Kravatte und Helm zu fahren. Die Starts wurden in drei Blöcke à ca. 180 Fahrern aufgeteilt, da es sonst zu gefährlich gewesen wäre, alle 521 Teilnehmer gleichzeitig starten zu lassen. Auf los gings los und Gentlemen und Ladys rannten zu ihrem Brompton, falteten es auf und fuhren über die Startlinie. Erst ab da fing die Zeit an zu laufen. Leider fuhr ich viel zu früh über diese Startlinie und musste auf der Strecke auf die schnellen Fahrer warten, hinter denen ich mich im Windschatten ziehen liess. So fuhr ich die ganzen 4 Runden mit der Spitzengruppe mit und wurde 17. von den 521 Fahrern und Fahrerinnen. Mit diesem Resultat bin ich mehr als zufrieden, auch wenn ein besserer Platz drin gelegen hätte mit etwas taktischem Vorgehen. Überaus glücklich war ich dann, als ich an der Rangverkündigung auf das Podest gerufen wurde, weil ich das Brompton am schnellsten von allen zusammengefaltet habe. Ich gewann einen schönen Brompton S-Bag, den ich dann für die Rückreise auch noch auf das Load packte.
Simon Schürch aus dem Swiss Wheels Team mit dem grünen Helm und Kravatte im Sprint-Finale der BWC 2014
Die ehemalige Elite-Rennfahrerin Alexandra Bähler gewann den Sprint auch trotz breitem, im Wind flatternden Hemd.
Die durchtrainierte Genferin, holte zwar den Meander-Titel, hatte jedoch wenig Chance gegen Alexandra Bähler.
Hier das Swiss Wheel Team ganz nah: Thomas Ernst, Simon Schürch, Alexandra Bähler und Jonas Römer
9. Tag: Am Montag packte ich alle meine Sachen wieder aufs Load und fuhr an den Fährhafen von Portmouth und nahm die Nachmittagsfähre nach Caen. Auf der Fähre lernte ich den sympathischen Sven aus Hamburg kennen, welcher mit nur einem Rucksack und einem Rennvelo unterwegs war. Wir hatten uns einiges zur erzählen und die 6 Reisestunden waren im Nu rum. Ich hatte kurzfristig eine Couchsurfing-Anfrage gestartet für Caen und eine junge hübsche Anwältin hat mir ihre Couch für eine Nacht zur Verfügung gestellt.
10. Tag: Von Caen startete ich also meine eigentliche Rückreise. Die gut 900km wollte ich in 3 Tagen schaffen. Um 7 Uhr war ich startklar. Es war frisch und es nieselte ganz wenig. Die Wetteraussichten waren nicht gut. Mein Ziel, Meaux hinter Paris, wollte ich aber unbedingt erreichen und ich verschte die Fahrunterbrüche zu beschränken auf die unbedingt notwendigen (Akkuwechsel alle 32km, Kurbelklopfen ca. alle 20km, Rotlichter, Navigationsgerätprogrammierung, Einkäufe von Nahrungsmittel und Pinkelpausen). Es regnete an diesem Tag glücklicherweise erst am Abend als ich durch Paris gefahren bin. In der Rushour mit einem Cargo-Bike durch die Strassen von Paris zu fahren, das war für mich ein echtes Abenteuer. Ich gab mich aber nicht geschlagen und kämpfte mich wacker durch und erreichte rechtzeitig die Pariser Vorstadt Meaux und checkte im Hotel ein.
Hier im Hintergrund der Eiffelturm? Nein, es war nur ein kleiner, verrosteter Strommast. ;-)
Louis XIV schaut neidisch auf mein modernes Fortbewegungsmittel herab.
Es war nicht geplant, noch irgendwelche Touristenattraktionen zu besuchen, aber plötzlich stand der grosse Turm neben mir...
11. Tag: Dieses Mal gönnte ich mir das Frühstücksbuffet, da dieses bereits um 7 Uhr bereit stand und ich auf ziemlich viel Energie angewiesen war. Während dem Frühstück plante ich auch die zu fahrende Strecke mit maps.google.com und schrieb mir die zu passierenden Ortschaften raus. Mein Navi war leider oft anderer Meinung, welches denn nun jetzt die beste Route ist, so musste ich mich nicht selten für Google oder für Mio entscheiden, was manchmal richtig und manchmal falsch war. Die Navigation ist aus meiner Sicht eigentlich die grösste Herausforderung. Es ist nicht so, dass man den Weg nicht finden würde, aber wichtig war für mich ja, dass ich das Ziel innert ziemlich kurzer Zeit erreiche, denn irgendwann ist der Tag vorbei und am nächsten Tag 30km mehr zu machen, weil es am Tag davor nicht gereicht hat, ist bei diesen Distanzen praktisch unmöglich. Nun wusste ich, dass ich nur noch einmal ein Hotel brauche und die letzte Etappe auch bis in die Nacht hinein fahren kann, da mein "Home-Hotel" für mich zu jederzeit zur Verfügung steht. Ich wusste aber auch, dass ich jeden Km, den ich heute nicht mache, am nächsten Tag machen muss und dass auch die Akkus knapp werden könnten, wenn ich zum Beispiel mehr als 380km fahren müsste. Somit wollte ich heute unbedingt Langres, mein zweitletztes Etappenziel erreichen.
Die Wetteraussichten waren für diesen Tag noch schlechter als am Tag zuvor, deshalb war ich positiv überrascht, dass ich praktisch den ganzen Tag höchstens vom Schweiss nass geworden bin. Von Meaux nach Langres konnte ich ab Joinville auf einem perfekten Radweg am Kanal entlang fahren. Hier habe ich dann am Ambend einen Regelrechten Endspurt hingelegt. Gerne hätte ich mich länger unterhalten mit Giovanni, welcher auch mit dem Velo, jedoch ohne Elektromotor unterwegs gewesen ist. Auf die Frage, ob wir denn nicht zusammen etwas fahren könnten, da wir ja sowieso in die gleiche Richtung müssen, gab es leider nur eine Antwort. "Wenn du es schaffst, den Schnitt von 35km/h zu fahren, gerne!". Mit seinem Gepäckt, welches er bis nach Sardinien mitnehmen wollte, war in keinem Moment daran zu denken. So gab ich ihm meine E-Mail und bat ihn, sich zu melden, wenn er mal Zürich besuchen möchte. In Langres war kurz vor Mitternacht leider kein Hotel mehr frei bzw. offen, so musste ich noch etwas ausserhallb von Langres in ein 24h-Hotel, welches man mit Kreditkarte vor Ort buchen kann. Leider kenne ich meinen Code nicht, so musste ich noch ein Weilchen warten, bis mir jemand die Tür öffnete und ich das Zimmer bar bezahlen konnte. Da nicht genügend Steckdosen im Zimmer vorhanden waren, habe ich auch noch im Korridor den Strom von 3 Steckdosen angezapft und fürs erste mal 6 Akkus sowie das iPad, iPhone und das Navi an die Ladegeräte gehängt. Um 3 Uhr klingelte dann der Wecker, damit ich die anderen 6 Akkus auch noch laden konnte. Denn ich hatte nur 6 Ladegeräte dabei und konnte deswegen maximal 6 Akkus aufs Mal laden. Nach gut 3.5h waren die Akkus voll und ich konnte wechseln.
Das trockene Wetter mit Rückenwind genoss ich nach der nassen Hinfahrt mit Gegenwind besonders!
Durchschnittlich hatte ich ca. 30km/h drauf.
12. Tag: Im 24h-Hotel genoss ich noch das Frühstück unter einer Wintergartenähnlichen Überbauung und haute nochmals richtig rein. Dann bepackte ich ein letztes Mal mein Load und machte mich auf die letzte Etappe. Leider hatte ich am letzten Tag die eine oder andere Navigationsschwierigkeit, aber schlussendlich war ich noch vor Mitternacht zurück in meiner gelibten Stadt Zürich.
Dank dem Rückspiegel hat man rundum den Überblick.
Ein Cargobike beladen mit gut 50kg Gepäck war auf den Strassen Frankreichs DIE Attraktion.
Das Cargobike Load hybrid von Riese & Müller gibt es seit 2013 als 25km/h-Version. Es ist erhältlich in einem poppigen lime (hellgrün) und in schwarz matt. Es ist ausgestattet mit dem Bosch Elektromotor Classic und hat 250W-Leistung. Der Akku hat 300Wh oder 400Wh je nach Modell. Es ist wie alle E-Bikes der Marke Riese & Müller vollgefedert. Das Velo ist in 3 verschiedenen Schaltungsvariationen erhältlich. 9-Gang Kettenschlatung, 10-Gang Kettenschaltung oder mit der stufenlosen Nabenschaltung NuVinci. Das Cargobike kann auch mit einem Kindersitz für 1-2 Kinder oder mit einer faltbaren Textilbox ergänzt werden. Das Load hybrid touring HS, welches ich hier im Einsatz hatte, gibt es leider noch nicht zu kaufen, da es Probleme gibt mit der Zulassung. Es ist jedoch geplant, dass das Velo als schnelle Version kommendes Jahr auch erhältlich sein wird. Das Load kostet zwischen Fr. 5499.- und Fr. 6499.-
Das Faltvelo Brompton ist das ideale Pendelvelo, welches man morgens zum Bahnhof fährt, zusammenfaltet, in den Zug nimmt und am Zielort wieder auffaltet und zum Arbeitsort fährt. Zusammengefaltet und bedeckt von einer dünnen Nylonhülle gilt es in allen öffentlichen Verkehrsmitteln als Gepäckstück und es muss deshalb nichts dafür bezahlt werden. Die Velos können à la Carte bestellt werden. Man kann Farbe, Anzahl Gänge, Gepäckträger, Lichtvarianten, Lenkerform etc. wählen und sich das Velo so zusammenstellen lassen. Es gibt auch ein Onlinekonfigurator, der das Zusammenstellen noch vereinfacht. Das leichteste Brompton wiegt weniger als 10kg. Mit Ausstattung kommt man meist auf 12-13kg. Die Brompton sind erhältlich für Fr. 1270.- bis Fr. 3500.-.
Facts & Figures
Total gefahren: 2357km
Längste Strecke an einem Tag: Meaux-Langres = 348km (zweitletzter Tag)
Total Stromverbrauch: 28kwh entspricht 3.1l Benzin
Verbrauch auf 100km: 1.2kwh entsrpicht 0.13l Benzin
Tages-Durchschnittsgeschwindigkeit: 29.0km/h bis 34.4km/h
Maximalgeschwindigkeit: 78km/h
Verschleiss: Kette+Kassette musste nach 1800km ersetzt werden. Der Motor wird demnächst unter Garantie ersetzt.
Gesamtgewicht inkl. Fahrer: 160kg
Mitgeführte Akkukapazität: 4.976kwh (11x400Wh + 2x288Wh)
Dank an: Riese & Müller für die Erfindung und Entwicklung des Load Hybrid, Frank Becks für die technische Hilfeleistung via E-Mail, Urban Blarer für das Bereitstellen des Loads und die Entwicklung des Akku-Behälters, Simon Schürch und Jonas Römer sowie Brompton Bicycle Ltd für die Teilfinanzierung der Reise und der Teilnahme an der Brompton World Championship, Mike Rolph Brompton Bicycle Ltd für die interessante factory tour und die Möglichkeit, die IT-Infrastruktur zu benutzen, Manuel Verlyck für das beste Sandwich der Welt, Tiphaine B. für das Hosting in Caen, dem ganzen Velo Zürich-Team für den guten Einsatz während meiner Abwesenheit, Lea Koch für das Interessante Interview im Tages-Anzeiger.